Ich habe Studierende aufgerufen ihre Erfahrungen zu #IchbinHanna zu teilen, die sie mit ständigen Wechseln des wissenschaftlichen Personals gemacht haben. Ich habe hier einmal alle Antworten aufgelistet. Ich möchte an dieser stelle klar sagen, das hier kein objektiver Journalistischer Beitrag folgt. Sondern ganz ehrlich, ich nutze die Berichte als Argumente für meine Sichtweise: Die Befristung von Arbeitszeiten der Wimis und die damit einhergehenden ständigen personelen Wechsel wirken sich direkt auf die Qualität des Studiums aus und haben ebenso direkten Einfluss auf den partizipativen Handlungsraum aller Mitglieder einer Hochschule. Mir ist es wichtig, meine eigene Haltung mit den studentischen Berichten zu verknüpfen. Ich weiß dass das ein wenig schwierig ist, da die studentische Perspektiven weniger bzw. nicht auf Partizipation ausgerichtet sind. Aber viele Argumente lassen sich mit den Zitaten gut belegen.
Partizipation braucht u.a. Vertrauen, Identifikation und Nähe zwischen Studierenden und ihren Lehrenden. Und das ist mit Hannas eben nur sehr schwierig möglich. Denn wie sollen Studierende Partizipation erfahren, wenn Hanna immer auf dem Sprung ist? Wie soll es gehen, wenn Hanna extrem unter (Zeit-)Druck steht? Es ist doch klar, dass Partizipation dann mit als erstes gestrichen wird. (Naja eigentlich ist es nicht klar, da Partizipation sehr wohl auch eine Arbeitserleichterung sein kann).
Wie sollen Studierende wirklich partizipieren, wenn ihnen die Chance genommen wird, sich fachlich in ein Thema zu vertiefen, weil mit neuen Hannas eben auch oft ein neuer fachlicher Schwerpunkt kommt?
Wie sollen Studierende für Wissenschaft begeistert werden, wenn die Menschen immer gleich wieder weg sind?
Für Studierende sind mit den vielen personalwechseln auch viele Frusterfahrungen verbunden. Ich will die einzelnen Aussagen der Studierenden nicht kommentieren oder einordnen. Ich freue mich über jeden weiteren Kommentar oder Gedanken zu den Erfahrungsberichten unter diesem Beitrag. Ich würde mich freuen, wenn es uns gemeinsam gelingt die Diskussion fortzuführen und zu vertiefen.
Was Studierende zu #IchbinHanna sagen
“Hallo, ich bin bald ausstudierter Historiker, habe meinen Bachelor in Hamburg, meinen Master in Berlin gemacht und sitze gerade an den letzten Seiten der Masterarbeit. Für mich war Hannah fast durchgängig präsent. Übungen und Seminare führte sie mit sehr viel Aufwand durch, ihre Veranstaltungen hatten fast immer die spannendsten Fragestellung zum Inhalt. Hannah war hochmotiviert, die zu lesenden Texte sorgfältig ausgewählt und die Diskussionen ermöglichten viele Freiräume zum Denken. Sie ermutigte mich in Projekten meinen Interessen nachzugehen, zeigte mir andere Wege auf und rechnete mir meine Ergebnisse – wo sie konnte – als Studienleistung an. Die größten Fortschritte in meinem Studium machte ich in Veranstaltungen von Hannah. Nach zwei Semestern fing ich an, an einem Lehrstuhl zu arbeiten. Ich lernte die andere Seite des wissenschaftlichen Betriebs kennen. In den Büros neben mir saßen mehrere Hannahs, die sehr viel früher kamen und später gingen, neben Lehrveranstaltungen und Qualifikationsarbeiten die Innovationskraft des Fachbereichs vorantrieben und natürlich sich um Bewerbungen für die nächste Stelle kümmerten. Im Seminar war davon nur wenig mitzubekommen. Auch das ist die Realität der Befristung. Studierende und Lehrende reden in der Regel nicht über Beschäftigungsverhältnisse. Erst wenn Hannah im nächsten Semester die Uni wechseln muss und die Studierenden etwa ihre Abschlussarbeiten nicht bei der Dozent*in ihrer Wahl schreiben können, tritt die rigorose Politik der Drei-Jahres-Verträge in Erscheinung. Bevor sich die Studierenden mit dem Mittelbau über diese Probleme austauschen oder zusammentun könnten, sind sie auch selbst wieder fertig mit dem Studium oder befinden sich in einer anstrengenden Prüfungsphase. Für Hannah und ihre Studierenden bleibt keine Zeit, die Bedingungen des Lernen und der Lehre fortzuentwickeln. Genau davon aber lebt Uni. Für die Male, die mir Hannah das in meinem Studium ermöglicht hat, bin ich sehr dankbar, ich weiß, wie viel Zeit und Kraft das kostet.”
„Lehrende wechseln so schnell, dass man bei der Wahl der Prüfenden am Ende teilweise fast nur Leute zur Auswahl hat, bei denen man nie studiert hat. Gerade da man mehr als eine prüfende Person für den Abschluss braucht. Lehrende wechseln auch so schnell, dass die schon lange an einer anderen Uni (oder gar nicht mehr in der Wissenschaft) sind, wenn man bei denen eigentlich noch eine Hausarbeit abgeben muss. Wenn Lehrende nur befristete Verträge über ein halbes Jahr bekommen, kann sich eine studentische Hilfskraft freuen, wenn sie überhaupt längere Verträge als für 2-3 Monate bekommt. Lehrende wechseln auch so schnell, dass im schlimmsten Fall plötzlich niemand mehr da ist, der in dem Bereich arbeitet, in dem du eigentlich die Abschlussarbeit schreiben wolltest. Auch wenn das ein Gebiet ist, indem du am meisten studiert hast, weil du viele Kurse darin hattest. „
„Ich habe damals im Studium einen sehr guten Dozenten aufgrund des #WissZeitVG verloren. Wir haben wirklich sehr viel bei ihm gelernt, er hatte aber keine Chance, da er sich ganz auf die Lehre konzentriert hat. Sehr schade für spätere Studierendengenerationen!“
„Zwei meiner liebsten Dozentinnen haben die Uni verlassen. Eine davon war eine der wenigen Personen an der Uni die spezifisch über Frauen in der Literatur gesprochen hat. Ein sehr beliebter Dozent ist nun auch weg, musste seine ganze Familie umziehen weil es nach Jahren an der Uni keinen Platz mehr für ihn gab. Eine Dozentin hat sich jede Woche für die Verspätung entschuldigt – sie pendelte zwischen mehreren Unis und die Zuganbindung ist schlecht. Ein Dozent hat mir mal in einer Sprechstunde ehrlich gesagt, dass ich nicht an der Uni bleiben soll weil es für Nachwuchs immer schwerer wird. Mehrfach Gespräche mitbekommen über Arbeitslast, Artikel/Rezensionen die man nicht schreiben will aber muss, weil man ja sonst zu lange nicht veröffentlicht hat. Studierende bekommen so viel mit.“
„Den BA habe ich, wie viele andere, bei der einen entfristeten Mittelbau-Stelle geschrieben. Hatte ursprünglich jemand anderen im Blick, aber der war nicht mehr an der Uni.“
„Mir hätte es als Studentin einige schlaflose Nächte erspart, wenn ich von Anfang an die Sicherheit gehabt hätte, ob meine sehr geschätzte Betreuerin meiner (empirischen) Masterarbeit bis zum Ende des Projekts an der Uni sein wird. So musste ich zwischendurch hoffen und bangen. Gerade Betreuer:innen und Mentor:innen aufgrund des #WissZeitVG zu verlieren, bin denen ich viel individuelle Unterstützung erfahren habe und zu denen ich eine vertrauensvolle Beziehung habe, empfinde ich als großen persönlichen Verlust und es macht mich wütend und traurig. Zu sehen, wie viel Herzblut Dozierende in Forschung und Lehre investieren und trotzdem keine Zukunft in der Wissenschaft haben, macht mir auch immer wieder Angst und lässt mich jetzt während meiner Promotion meine eigenen Karrierepläne in der Wissenschaft in Frage stellen.“
„Es gab einen Fall, als ich studiert habe, da gab es seitens der Studierendenschaft viel Protest, weil sie sehr gut und engagiert war und wir nicht verstanden, warum sie gehen musste. Hat letztlich nicht viel gebracht, aber wenigstens wusste sie, dass sie hoch geschätzt wird. 1 anderer Dozent hat nach der Diss aufgehört, es aber so geframt, dass er lieber was anderes machen möchte.“
“Im MA war es bei mir so, dass wir alles nur noch bei den Lehrstuhlinhabern (nicht generisch) hatten. BA war vor allem Mittelbau, ständig wechselnde Dozierende in Seminaren und Übungen, deswegen dann oft viele. Den BA habe ich, wie viele andere, bei der einen entfristeten Mittelbau-Stelle geschrieben. Hatte ursprünglich jemand anderen im Blick, aber der war nicht mehr an der Uni. Themenvarianz.”
„Für Abschlussprüfungen oder -arbeiten Prüfer*innen wählen, die man nicht kennt, weil Dozent*innen nicht mehr an der Uni sind „
„Die Planungsunsicherheit der Dozierenden überträgt sich auf die Studierenden. Immer die Abwegung, tolle Seminare zu besuchen, deren Dozierenden aber wahrscheinlich zur MA-Arbeit nicht mehr an der Uni sind, oder einen für die eigenen Schwerpunkte irrelevanten Kurs bei jemandem, der eine Abschlussarbeit betreuen könnte. Außerdem wissen wir auch, dass unsere Betreuung gerade für Leute auf 50% oder 65% Stellen, die Lehre, Publikationen und Bewerbungen gleichzeitig machen, eine extra Belastung ist. Eigentlich alle guten Kurse, die ich belegt habe, wurden von SHKs, Lehraufträgen oder Gastprofessuren abgedeckt. Die meisten der Lehrenden sind zwei Jahre später nicht mehr an meiner Uni.“
“Studierende sind von diesem Gesetz ebenso betroffen und verlieren z.B. den Hiwi-Job, mithilfe dessen sie das Studium finanzieren. Ebenso befristet es Promotionsstipendiaten, die die Arbeit eines E13 Mitarbeitenden für ein E2 Gehalt leisten, um in der Promotion bestehen zu können”
“Dank Exzellenzinitiative hatte ein großer Teil der Lehrstuhlinhaber dann plötzlich „Forschungssemester“ in einem dieser Sonderinstitute und war weg. Ein Teil der Lehrbeauftragten hatte dann nicht die Prüfungsberechtigung für BA-Arbeiten, weil die ja Abschlussarbeiten sind. Oder anders gesagt: Ich durfte mir einen neuen BA-Betreuer suchen, weil mein ursprünglich ausgewählter Betreuer keine Abschlussarbeiten betreuen durfte, obwohl es natürlich im System so vorgesehen war, dass die Dozenten der Hauptseminare dann auch die Abschlussarbeiten betreuen.”
“Habe selbst in UK studiert (02-07; BA, MPhil); fast aller Unterricht erfolgte durch hochmotivierte lecturers/sen. lecturers auf Dauerstellen & war exzellent. Die wenigen schlechten Unterrichtserfahrungen hatte ich mit Doktoranden & befristeten PostDocs. Deren Prio war Pubs./Diss. Man merkte dabei auch wirklich den Qualitätsunterschied zw. Unterricht durch jmd. der bereits 10-20 Jahre an der Uni unterrichtete, u. denen, die das halt nicht taten.”
“Naja, es waren die besten und motiviertesten, mit denen ich auf Augenhöhe Ideen besprechen konnte und die Unmengen an Hilfe bieten konnten und dann waren sie irgendwann weg. Essays statt Hausarbeit, weil sie direkt nach Ende der Vorlesungen gingen, teilweise Lehraufträge an anderer Stelle zusätzlich, weil sie plötzlich nicht mehr WissM waren, ein anderer sprach davon, dass sein Habilprojekt dadurch irgendwie in der Luft hing. Es gab schöne Abschiede und Bücher aus den Büros wurden verschenkt,aber am meisten wird natürlich das Potential verschenkt mit Studis an langfristigen Projekten zu arbeiten und Menschen einfach Sicherheit zu geben. Ist als Studi nicht so cool, wenn du nicht weißt, ob du wie geplant deine Abschlussarbeit bei jmd. schreiben kannst oder nicht”
“Für Abschlussprüfungen oder -arbeiten Prüfer*innen wählen, die man nicht kennt, weil Dozent*innen nicht mehr an der Uni sind”
“Als Studierende bekam man das eher über den Flurfunk weg, wenn wieder jemand weg war. Oder die Tatsache, dass nur Profs die höheren Kurse anbieten durften und auf die WiMis die Anfängerseminare fielen. Zwei Lehrende haben das Seminar aber mal mit: „Mein Vertrag endet X bis dahin müssen die Hausarbeiten eingereicht sein.”
“Unpopular opinion: Entweder hat man sich gefreut, dass alle jung und dynamisch sind und noch für ihr Ding brennen. Oder (sehr selten) man hat sich zumindest gefreut, dass sie nicht ewig Dozent bleiben dürfen weil sie nichts taugen.Um das sinnvoll beurteilen zu können ist das Studium an der HSU mit vier Jahren sicherlich zu kurz. Aber mein Eindruck war: ja. Die, die gut gelehrt haben, haben auch wissenschaftlich gut abgeliefert. Die, die als Dozent schwach waren, haben oft auch Wissenschaftlich nicht vielZu melden und werden (hoffentlich/vermutlich) nicht PD oder Prof. Ausnahmen in beide Richtungen passieren sicherlich auch. Ich bitte, den besonderen Status, den die Leere bei uns hat, zu berücksichtigen. Muss man vielleicht erklären: wir sprechen von der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Deren Aufgabe ist wie bei uns in München v. a. die akademische Ausbildung des Offiziernachwuchses. Forschung wird auch umfassend betrieben, aber Lehre hat tatsächlich einen bes. Stellenwert.”
“Die meisten meiner Dozenten sind gar nicht mehr an der Uni, weil deren Verträge endgültig ausgelaufen sind. Da ist auf einmal ein Schwung an guten Mitarbeitern weggegangen. Alle in eine andere Richtung, nur von einem weiß ich, dass er in der Wissenschaft geblieben ist. Das ist total schade, ich habe bei allen viel gelernt und sie waren regelmäßig Ansprechpartner für die Studenten. Mehr als die Professoren.”
“BA Nordamerikastudien, mitten im 2. Semster war der Dozent der Einführungsveranstaltung 2 Monate lang weg, da sein Vertrag mitten im Semster ausgelaufen war und die Univerwaltung so lange brauchte diesen zu verlängern. Für uns ging es um eine schwere und wichtige Klausur, deren Note mit ausschlaggebend dafür war, ob man einen der wenige begehrten Plätze für ein Auslandssemester in den USA erhalten hat. Der Unterricht viel komplett aus, der Stoff war trotzdem Klausurrelevant. Einige Zeit später ist der ausgezeichnete und äußert beliebte Dozent in die Niederlande gewechselt. Während dieses (Zweit-)Studiums hatte ich mich mit vielen jungen Dozenten über ihre Arbeitsbedingungen unterhalten, was mich so abgeschreckt hat, dass ich eine universitäre Karriere kategorisch für mich ausgeschlossen habe.”
“An der @FU_Berlin wurde die Juniorprofessur zu Islamischer Kunstgeschichte nicht entfristet. Das war deutschlandweit einer der wenigen Lehrstühle zu dem Thema. Promovierende können also nicht einfach die Betreuung wechseln. Ich kann Kontakte vermitteln, wenn gewünscht.”
“Corona-maßnahmen zB verlängerung von abgabefristen für hausarbeiten usw sind in der praxis nutzlos, wenn manche prüfende nur bis semesterende prüfungsberechtigt sind (weil danach der vertrag abläuft). dann muss die arbeit einfach davor fertig sein (+ zeit für benotung)”
An dieser Stelle möchte ich mich bei @SebastianKubon @AmreiBahr & @DrKEichhorn bedanken, da sie das Thema immer wieder sichtbar machen. Alle wichtigen Informationen zur Diskussion sind unter https://ichbinhanna.wordpress.com/ gebündelt.
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