Partizipation bei der Veranstaltungsplanung

Diese Seite soll Menschen dabei unterstützen studentische Partizipation in der Hochschullehre zu stärken.

Partizipation bei der Veranstaltungsplanung

9. März 2021 Anregungen 0
Flyer_1Austauschrunde

Dieser Artikel ist im Ursprung das Ergebnis der 1. Austauschrunde am 18.02.2021 zum gleichen Thema. Im Sinne eines lebenden Artikels, wird er um neue Erkenntnisse und Ideen erweitert.

Was ist mit Hochschullehre und studentische Partizipation gemeint?

Eine Ausführliche Beschreibung von Hochschullehre und studentischer Partizipation findet sich in der Handreichung Studentische Partizipation initiieren. Als kurze Einordnung dient uns an dieser Stelle das Zitat von Kersten Reich:

Studentische Partizipation in der Hochschullehre ist die Beteiligung von Studierenden an Entscheidungen über die Gestaltung ihrer Lehrveranstaltungen. Lernende und Lehrende übernehmen gemeinsam Verantwortung für die Planung, Durchführung und Evaluation von Lehrveranstaltungen und treffen Entscheidungen gemeinsam.

vgl. Reich 2008: 252

Oft beginnt Partizipation erst mit der ersten Veranstaltung und beschränkt sich dann auf die Übernahme eines Referates. Ziel der Austauschrunde war es gemeinsam zu überlegen, wie Partizipation bereits bei der Planung von Lehrveranstaltungen stattfinden kann.

Damit innerhalb der Hochschullehre Entscheidungen gemeinsam getroffen werden können, müssen alle Beteiligten über entsprechendes Wissen, entsprechende Kompetenzen und die Bereitschaft verfügen, die Verantwortung auch tatsächlich wahrzunehmen (vgl. Mayrberger 2020). Dadurch kann Partizipation deutlich von anderen Begriffen bzw. Konzepten abgegrenzt werden, die teilweise als Synonyme missverstanden werden, wie z.B. Teilnahme, Teilhabe oder Einbeziehung.

Wichtige Aspekte von Partizipation

Studentische Partizipation ist kein politischer Prozess. Es geht nicht nur darum das Studierende abstimmen können und so eine Entscheidung treffen können. Sondern studentische Partizipation zeigt sich auch im Nähe und Distanzverhältnis der beteiligten Personen, in der Identifikation der beteiligten Personen mit der Hochschule, dem Studiengang, der Veranstaltung und den anderen Personen, sowie dem Vertrauen zueinander.

Die Lehrenden können hier positiv wirken, in dem sie selber versuchen authentisch zu sein und damit akademische Traditionen auch ein wenig aufzubrechen. Um Authentizität herzustellen ist es hilfreich die eigene Meinung und eigene Erfahrungen auch transparent zu machen. Dadurch wird Studierenden auch der Perspektivwechsel erleichtert, was sich ebenfalls positiv auf die Partizipation auswirken kann. Um Vertrauen zu schaffen, ist es nützlich transparent darzustellen, welche Formen von Partizipation gewünscht werden und wo die Partizipation ihre Grenzen hat.

Partizipation bei der Veranstaltungsplanung

Studierende bereits bei der Planung von Veranstaltungen partizipieren zu lassen, ist aus strukturellen Gründen sehr schwierig. In der Regel wird die Veranstaltung zu einem Zeitpunkt geplant, an dem die Studierenden sich noch nicht entschieden haben, die Veranstaltung überhaupt zu belegen.

Vielleicht wissen Lehrende ja trotzdem, wer im folgenden Semester vermutlich in ihren Veranstaltungen sitzen wird. Dann macht es durchaus Sinn, diese Studierenden direkt in die Planung mit einzubeziehen. In der Austauschrunde sind wir aber davon ausgegangen, dass das nicht möglich ist. Wir sind daher besonders auf drei Stellschrauben eingegangen, durch die mehr Partizipation ermöglicht werden kann:

  • Ankündigungstext für die Veranstaltung
  • Freiräume im Seminarplan
  • Anonymer Kontakt

Partizipativer Ankündigungstext

Der Ankündigungstext im Lernmanagementsystem ist vermutlich der erste Berührungspunkt der Studierenden mit der Lehrveranstaltung. Wo Kontakt stattfindet, kann auch Partizipation stattfinden. Partizipation bedeutet, dass Lehrende und Lernende bei allen Gegenständen des Unterrichts und allen Planungen (zumindest in Phasen) gemeinsam vorgehen und sich miteinander darüber abstimmen, was, wie, in welcher notwendigen und hinreichenden Reichweite, mit welchen Optionen und unter welchen Maßgaben gelehrt und gelernt werden soll (vgl. Reich 2008, 252). Daher sollten im Ankündigungstext viele Möglichkeiten zur Verständigung eingebunden sein. Dies beginnt mit einer transparenten Bereitstellung aller Informationen, die die Studierenden für eine fundierte Entscheidung benötigen. Das bedeutet für mich auch, dass wechselseitige Erwartungen formuliert sein sollten und es sollte bereits eine erste Möglichkeit zur Mitgestaltung geben. 

Ich verspreche mir davon, dass die Studierenden die an der ersten Sitzung teilnehmen eine fundierte Entscheidung über ihre Teilnahme treffen konnten und somit bereits einen Teil ihres Handlungsraums kennengelernt haben. Ich verspreche mir davon auch ein erstes Feedback darüber, ob meine Idee des Seminars gut ankommt und verständlich ist. Ich erhoffe mir durch einen Apel an das „Wir-Gefühl“ soziale Eingebundenheit und Identifikation zu schaffen.

Anonyme Verständigungsmöglichkeiten

Partizipation ist die Verständigung über alles was die Lehre betrifft. Doch ich vermute, transparent in Richtung studierende zu kommunizieren reicht als Partizipation nicht aus. Die Studierenden müssen auch die Möglichkeit haben, Fragen zu stellen und Antworten zu bekommen. Prinzipiell ist das per Mail möglich, jedoch ist dieses Vorgehen eher unüblich und nicht etabliert. Ich vermute, dass ein digitales Tool, wie z.B. Paddelt hierfür optimal ist, damit die Studierenden auch wechselseitig ihre Antworten sehen. Vermutlich ergibt es ebenfalls Sinn, hier Leitfragen vorzugeben. Alternativen wären eine Chatfunktion, oder ein Sprechstundentermin bzw. Auftakttreffen. Ziel ist es von Anfang an Partizipationsmöglichkeiten aufzuzeigen und zur Wahrnehmung dieser Möglichkeiten zu motivieren. Diese offene Kommunikationsplattform sollte während des Seminars ebenfalls geöffnet bleiben. 

Anonymer Kontakt

Brainstorming der Teilnehmer:innen

Im Rahmen eines Brainstormings haben wir Ideen zu folgenden Fragen gesammelt:

  1. Wie lassen sich Nähe und Identifikation herstellen?
  2. Wie können wir über Partizipation aufklären?
  3. Wie können wir die Motivation für Partizipation steigern?
  4. Wie lassen sich die Rahmenbedingungen beeinflussen?
  5. Gibt es weitere Ideen?

Hier das Ergebnis des Brainstormings:

  1. Wie lassen sich Nähe und Identifikation herstellen? 
  • Kennenlernrunden, Zeit für soziale Interaktion (bes. bei Online-Lehre)
  • Ich berichte z.B. in der Veranstaltung zu Lern- und Entwicklungspsychologie immer wieder, wie es mir im Studium erging, und dass ich im ersten Semester quasi überhaupt nicht gelernt habe und dann durch meine erste Statistikklausur gefallen bin –> da geht es v.a. thematisch um Lernstrategien und wie man sein Studium gestalten kann
  • In objektzentrierten Seminaren, lasse ich Studierende zur ersten Sitzung immer ein eigenes Objekt mitbringen und so gibt es gleich eine Beziehung
  • Hierarchie klären
  • Raum/Zeit für Off-Topic-Themen
  • Klären, ob überhaupt Interesse an Partizipation besteht – es sollte klar sein, dass nichtpartizipieren keine Konsequenz hat (bzw. welcher Konsequenz das hat) 
  • Eigene Erfahrungen, auch zum Fehlermachen teilen (z.B. berichte ich in meinem Kurs zu wissenschaftlichem Arbeiten, wie ich im Studium mal in einer Projektgruppenarbeit vergessen habe, einen Absatz korrekt zu zitieren, wie das zustande kam und wie man auch in einer Gruppe so arbeiten kann, um das zu verhindern)

2. Wie können wir über Partizipation aufklären?

  • Im vorausgehenden Semester schon für die Veranstaltung werben und Interessen abfragen 

3. Wie können wir die Motivation für Partizipation steigern? 

  • Vorwissen/Interessen abfragen und Verbindungsangebote dazu zum Seminarthema herstellen, hat dazu geführt, dass Studierende besser ihre Referats/Hausarbeitsthemen finden konnten
  • in Methodenseminar: Auswahl der Gegenstände

4. Wie lassen sich die Rahmenbedingungen beeinflussen? 

  • Prüfungsleistung anpassen -> Problem PL muss bei Ausschreibung meistens festgelegt sein
  • Freundliche, angenehme Atmosphäre schaffen, so weit das möglich ist. 
  • Grenzen der Partizipationsmöglichkeiten aufzeigen: also transparent machen, worüber nicht entschieden werden kann (z.B. Zahl der ECTS-Punkte, Dauer des Semesters o.ä.) 

5. Gibt es weitere Ideen?

  • Methoden an die Hand geben, damit Lehrende Partizipation besser einordnen können (auch zeitlich) und es als festen Bestandteil der Veranstaltung zu machen, z.B. Peer Instruction, Just-in-Time-Teaching, One-Minute Paper, Teaching Analysis Poll, Midterm-Evaluation, Abstimmungen…
  • Transparent machen, in welche Bereiche die Partizipation überhaupt wirken kann – einige Disziplinen haben nicht viele Möglichkeiten, z.B. aufgrund von Stofffülle.
  • Werkzeuge nutzen, die Kommunikation ermöglichen bzw. erleichtern (zum Beispiel pads, wie dieses)
  • Synchrone, Asynchrone Partizipation? 
  • Vor dem Seminar abfragen, was überhaupt möglich ist – welche Tools gehen, welcher Aufwand ist möglich, welches Vorwissen existiert, welche Kompetenzen sind vorhanden
  • Möglichkeiten partizipativer Notenfindung (Beispiel Peergroup Review vs. Auditierung bei der GWÖ)

Abschließend wurde noch ein wenig weiterdiskutiert. Einige der Punkte wurden in den Themenspeichern festgehalten:

Offene Fragen/Themenspeicher:

Partizipation und Evaluation

Was tun mit Toxic … https://www.deutschlandfunk.de/sandra-kostner-vs-stefan-weidner-muessen-wir-gefaehrliche.2927.de.html?dram:article_id=448295 oder https://www.netzwerk-wissenschaftsfreiheit.de/wp-content/uploads/2021/02/Ankuendigung-Workshop-Wissenschaf-tsfreiheit-und-Cancelculture.pdf (von 12 Vortragenden 10 aus dem selben Verein … hm)

http://psycho.ewf.uni-erlangen.de/mitarbeiter/ziegler/publikationen/Publikation01.pdf Aktiotop-Model aus der Excellence Forschung – das Modell selber ist hier https://www.researchgate.net/publication/247745932_The_Actiotope_Model_of_Giftedness/link/5ca32f38458515f7851d49a6/download in der Publikation darüber ist es nur erwähnt …

Für mich ein negativ Beispiel: www.oecd.org/education/2030-project/contact/OECD_Lernkompass_2030.pdf S 38 ff DIE PARTIZIPATIONSLEITER. ACHT STUFEN DER PARTIZIPATION JUNGER MENSCHEN und was die OECD dann „daraus gemacht hat“

Tool Sammlungen und Co.

Danke für die Teilnahme

Vielen Dank an alle die in der Austauschrunden mitgemacht haben. Uns interessiert nun, wer hat ähnliche oder andere Erfahrungen mit studentischer Partizipation gemacht? Welche Gedanken sollen wir noch vertiefen? Was scheint falsch zu sein? Nutzt gerne die Kommentarfunktion unter diesem Artikel.